Nachdem sich die Regierungsfraktion bereits im Sommer auf eine Reform der Strafprozessordnung (StPO) geeinigt hat, hat das Kabinett nun einen entsprechenden Gesetzesentwurf beschlossen. U. A. werden ändert sich in Zukunft Folgendes:
Bereits vor einiger Zeit wurde der Mindeststrafrahmen des Wohnungseinbruchsdiebstahls auf ein Jahr angehoben. Voraussetzung war, dass es sich um eine dauerhaft genutzte Privatwohnung handelt. Seitdem gilt die Tat rechtlich nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen. Künftig darf die Polizei zur Aufklärung die Telekommunikation eines einzelnen Tatverdächtigen überwachen. In der Vergangenheit war dies nur bei Einbrecherbanden möglich. Neben der Telekommunikationsüberwachung kann zudem eine sogenannte Quellen-TKÜ durchgeführt werden. Bei dieser umstrittenen Maßnahme können bspw. Nachrichten über verschlüsselte Massengerdienste direkt auf dem Mobiltelefon der überwachten Person ausgelesen werden.
Änderungen finden sich auch beim Beweisantragsrecht. Richter erhalten in Zukunft die Möglichkeit, beantragte Beweiserhebungen abzulehnen, wenn diese nur der Verschleppung des Verfahrens dienen. Besonders kritisch ist zu sehen, dass die Ablehnung ohne förmlichen Gerichtsbeschluss erfolgen kann.
Schon jetzt ist es rechtlich zulässig, den genetischen Fingerabdruck, die Abstammung und das Geschlecht einer gesuchten Person zu bestimmen. Auch ein Abgleichen mit Vergleichsmaterial ist bereits möglich. Künftig ist es den Ermittlungsbehörden darüber hinaus gestattet, DNA-Spuren zu untersuchen, um Hinweise auf die Hautfarbe, Haarfarbe, Augenfarbe und das Alter der gesuchten Person zu erhalten. Dadurch ist es der Polizei möglich, ein genaueres Bild von der betroffenen Person zu erhalten.
Eine weitere Neuerung betrifft die Gesichtsverhüllung. Künftig ist es Angeklagten, Zeugen und anderen an der Verhandlung beteiligten Personen nicht mehr gestattet, ihr Gesicht zu verhüllen. Dies betrifft beispielsweise Personen, die eine Burka oder einen Niqab tragen. Ausnahmen können vom Richter dann gemacht werden, wenn Zeugen besonders gefährdet sind oder es sich um verdeckte Ermittler handelt.
Eine Änderung erfährt auch die Nebenklage. In Zukunft kann das Gericht einer Gruppe von Nebenklägern, die im Verfahren gleichgelagerte Interessen verfolgen, nur einen Nebenklagevertreter zuordnen. Hierdurch soll verhindert werden, dass umfangreiche und große Verfahren durch zu viele Nebenklagevertreter noch unüberschaubarer werden.
Auch hier finden sich Neuerungen. Wird ein Befangenheitsantrag erst während der Hauptverhandlung gestellt, darf der abgelehnte Richter das Verfahren erst einmal fortsetzen. Über den Antrag ist dann innerhalb von zwei Wochen zu entscheiden.
In Zukunft kann die Hauptverhandlung maximal drei Monate und zehn Tageunterbrochen werden, wenn ein Richter in Mutterschutz oder Elternzeit ist. Bisher war dies nur dann möglich, wenn ein Richter wegen Krankheit ausfällt. Die Reform soll verhindern, dass Prozesse wegen Mutterschutz oder Elternzeit komplett neu aufgerollt werden müssen.
Bereits jetzt ist es rechtlich möglich, dass beim Verdacht einer schweren Straftat gegen Kinder und Jugendliche im Ermittlungsverfahren eine richterliche Vernehmung stattfindet, die audiovisuell aufgezeichnet wird. Ziel ist u. A., dass die Vernehmung in der Hauptverhandlung vorgeführt werden kann, um den Betroffenen eine spätere Aussage vor Gericht zu ersparen. Künftig kann diese Vorgehensweise auch bei Verdacht einer Sexualstraftat gegenüber Erwachsenen durchgeführt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass dadurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen besser gewahrt werden können und eine Zustimmung zur Bild-Ton-Aufzeichnung vorliegt.
Gesetzesentwurf der Bundesregierung
Deutscher Richterbund
Deutscher Anwaltverein
Bundesrechtsanwaltskammer
Strafverteidigervereinigungen
Regensburg, den 19.11.2019